Fotografisch wurde ich schon öfters portraitiert, die literarischen oder journalistischen Portraits waren bisher selten. Jetzt gibt es einen langen Artikel von Albert Kümmel-Schnur (Medienwissenschaftler an der Uni Konstanz) über mich in der Online-Zeitung Seemoz, an dessen Ende ich so charakterisiert werde:
„Patrick Brauns ist, das darf man wohl sagen, ein Wortwanderer, einer, der im Wort zuhause ist, durch die Wörter hindurchläuft, sie sammelt und sorgfältig aufbewahrt, sich von ihnen inspirieren lässt, ihnen einen Sinn, einen Witz, eine Poesie ablauscht, die direkt in ihrer lautlichen Oberfläche liegen.“ (https://www.seemoz.de/wer-der-sonne-entgegengeht-hat-den-schatten-im-ruecken/)
Im März 2008 war ich schon mal in der populären Wochenzeitschrift „Schweizer Familie“ portraitiert, mit kurzem Text und Foto, unter dem Titel „Patrick Brauns, 52, Grenzgänger“ ##. Der Anlass dafür war das Plakat mit den „schönsten Ortsnamen am Bodensee“, das 2007 im literarischen Verlag im Waldgut von Beat Brechbühl erschienen ist: „Am Beispiel skurriler Ortsnamen, die er auf einem Plakat verewigt hat, geht er auch den Grenzen zwischen sprachlicher Herkunft und menschlicher Fantasie auf den Grund.“ Dabei ist „Grenzgänger“ doppeldeutig, denn als solcher kann man über Grenzen gehen oder springen – oder an Grenzen entlanggehen. Beides habe ich schon gemacht, so beim „Röstigraben“ im Wallis von Salgesch nach Sierre (zu Fuß) und von Biel/Bienne nach Fribourg/Freiburg i.Üe. (mit dem Rad). Analog dazu bin ich auch bei Wasserscheiden schon längere Strecken auf ihnen oder an ihnen entlang gewandert, und ich habe sie aber auch anderswo schon überquert und geschaut, was im anderen Flusssystem optisch oder phänomenologisch anders ist.
Der ungewöhnliche „Wortwanderer“ gefällt mir, und es ist eine weitere Variante meiner „Wander-Identitäten“. Vielleicht war das schon am Anfang meiner Wanderkarriere, wenn ich an das Bergmassiv „Wilder Kaiser“ bei Kufstein denke, das mir schon in meiner Münchner Zeit (4 bis 9 Jahre) mit seinem Namen ziemlich komisch vorgekommen ist.
Zum einfachen Schulwandern an den „Wandertagen“ kam bald das Bergwandern, mit immer höheren Gipfelzielen, bis zum Rocciamelone, meinem bisher einzigen Dreieinhalbtausender, bei dem wir dazu noch den tiefsten Ausgangspunkt hatten (Susa, 500m), sodass es ein Aufstieg von über 3000 Höhenmetern war. Mit meinen jeweils eine Woche langen Wanderungen auf der Grande Traversata delle Alpi in den piemontesischen Alpen habe ich das Bergwandern mit dem Weitwandern verbunden.
Das Radwandern ist eine semantische Erweiterung des „Fuß-Wanderns“, was ich dann am Bodensee praktiziert – und mit mehreren Radwanderführern publizistisch umgesetzt habe. Meine längste Radtour ging in fünf Tagen längs durch den schweizerisch-französischen Jura: von Nyon am Genfer See, mit dem Zug auf die Höhe und dann fast immer oberhalb der 1000-Meter-Grenze ## bis Saint-Ursanne.
In fremden Ländern erlebe und entdecke ich die größeren Städte am besten zu Fuß, weil das die Geschwindigkeit ist, bei der man am meisten von den Details wahrnimmt. Die längste Stadtwanderung war im Juni 1997 auf dem damals frisch signalisierten Wanderweg „Traversée Pedestre de Paris“, der auf einer ziemlich krummen Linie den Bois de Boulogne mit dem Bois de Vincennes verbindet (heute leider nicht mehr als Wanderweg unterhalten). So habe ich mir große Städte wie Dublin, Barcelona und Athen erwandert, wobei die spannendsten Viertel immer abseits der Touristenrouten waren.
Durch die journalistische Beschäftigung mit Architektur wurde ich an anderen Orten zwangsläufig zum Architekturwanderer, der nach den Höhen und Tiefen der landes- oder ortstypischen Architektur schaut. Weil mir auch in den Städten immer sprachliche Details aufgefallen sind, habe ich schon früh etwas praktiziert, was im frühen 21. Jahrhundert als „linguistisches Stadtwandern“ zur wissenschaftlichen Methode geworden ist. (dazu der gleichnamige Artikel vom 31. Mai 2023 auf dieser Website)
Bei Stadtwanderungen ist immer der Weg das Ziel, während bei Bergwanderungen der Aufstieg am Gipfelkreuz endet – auch wenn ich gerne eine Zen-Weisheit zitiere: „Wenn du den Gipfel des Berges erreicht hast, steige weiter.“
Auf die Frage nach meinen Lieblingswanderzielen gibt es bei den Bergen zwei Typen: zum einen die Berge, auf denen oben nichts ist, was die Massen von Bergsteigern anziehen könnte, wo man also die Aussicht oft für sich alleine hat (z.B. der Hochberg ## in der Nachbarschaft des Pfänders) – und zum anderen die Berge, bei denen auf dem Gipfel selbst eine Hütte oder eine Bergwirtschaft ist (natürlich ohne Seilbahn!), die einen Platz am Tisch oder im Matratzenlager mit Rundumpanorama bietet. In dem Artikel über mich kommen mit Hörnli und Hochalp schon zwei meiner Favoriten vor, weitere bleiben tatsächlich Geheimtipps, die es nur im persönlichen Gespräch gibt.
P.S.: Das Thema ist (für mein Leben) mit diesem Text natürlich nicht erschöpfend behandelt.
Es fehlen beispielsweise das Auswandern, das Nachtwandern, das Winterwandern …

Aufstieg auf der Rosentreppe von Thal (östlich von Rorschach) zum Restaurant Steinige Tisch

Schweizer Familie, März 2008

Im Schweizer Jura, bei Le Locle (Kanton Neuenburg)

Straßenszene in Paris
Graffiti: „Die Blicke kreuzen sich … das Geheimnis bleibt … ein Tag wird kommen …“

Ein Nachbarberg des Pfänders – ohne Seilbahn, ohne Berggasthaus …