Meine Verlage-Geschichte

Die Insolvenz der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft (WBG) und die Ăśbernahme der Reste durch den Verlag Herder hat fĂĽr mich auch eine biografische Bedeutung:
Für den Verlag Herder in Freiburg habe ich in einem Praktikum 1987 (noch als Student) die ersten Lektoratsarbeiten gemacht: die Aktualisierung des Politik-Lexikons und eine Konzeption für ein Umweltlexikon – damals noch ohne Computer und Internet, dafür viel Tradition. Im Theiss Verlag der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft ist 2015 mein wohl schönstes Bodensee-Buch erschienen: die „101 Orte zum Verweilen“. Von diesem kann ich jetzt günstig die letzten Reste abnehmen.
Dazwischen gab es einige Verlagsstationen, hier eine kleine Auswahl:

Ein Artikel ĂĽber „Wintersport in den Alpen“ fĂĽr einen groĂźen Buchclub-Band war meine erste Aufgabe (als „Nur-noch-Langläufer“) fĂĽr den Bertelsmann Lexikon Verlag, an den ich 1989 ĂĽber einen privaten Kontakt gekommen bin. Der war offensichtlich so gut, dass es mit solchen Aufträgen weiterging, nach dem Prinzip „wer ein Land kennt, kann auch ĂĽber den halben Kontinent schreiben“. Weil ich 1980 gut einen Monat lang durch Algerien gereist bin, kam daraufhin ein größeres Paket: Artikel ĂĽber Marokko, Algerien, Tunesien und die Sahara – jeweils Aufmacher, Politik, Geographie, Bevölkerung, Kultur etc. Auch das war noch vor der Internet-Zeit, also ging es darum, aus einschlägigen Quellen (v.a. in der UB) die Informationen zu ziehen und leserfreundlich – und zielgruppenorientiert fĂĽr das Buchclub-Publikum – aufzubereiten.

Vom Bertelsmann Lexikon Verlag war es – organisatorisch, nicht geografisch – nicht weit zum RV Verlag in München, für den ich dann den ersten Bodensee-Reiseführer schreiben durfte. 1994 kam ein Anruf von der Verlagsleiterin des mir bis dahin unbekannten Verlags Fink-Kümmerly+Frey, die vorher bei RV war: Anfrage für einen Radführer Bodensee, darauf Folgeaufträge wie ein Zooführer (D, A, CH), die Aktualisierung eines „Großen Wanderatlas Deutschland“ u.a. (Der RV Verlag wurde 1998 an Mairs verkauft, Fink-Kümmerly+Frey wurde ganz eingestellt; beide waren früher mal sehr bekannt – heute stehen sie nicht mal in Wikipedia!)
Für ein anderes Projekt hatte ich in dieser Zeit schon mit Kümmerly+Frey in Bern zu tun und musste mich erst daran gewöhnen, dass auch bei solchen Gesprächen der für die Schweiz typische Smalltalk („Ist bei Ihnen auch so ein Nebel?“) wichtig ist – damals, als ein Auslandsgespräch noch teuer war.

Durch eine Initiativbewerbung an die Verlagsleitung (Florian Langenscheidt) bin ich 1992 zum Polyglott Verlag (damals noch Teil des Langenscheidt Verlags) gekommen: zuerst eine ganze Reihe von Aktualisierungen von Reiseführern, die damals noch mit den Federzeichnungen illustriert waren und viel Text hatten. 1995 durfte ich dann den Bodensee ganz neu schreiben – nach dem Relaunch jetzt mit Farbfotos, davon auch einige von mir. Bei den später eingeführten Themen-Doppelseiten am Anfang konnte ich für die Auflage 2001 drei Themen vorschlagen, die später zu meinen wichtigsten Arbeitsgebieten wurden: moderne Architektur, Käse (mein erstes Thema bei der Seezunge) und Radtouren. (Polyglott ist seit 2011 nur noch ein Imprint der Ganske Verlagsgruppe.)

Mit der Idee eines „Bodensee-Lexikons“ bin ich 1996 an den Verlag Huber in Frauenfeld, meinen ersten Schweizer Verlag im Bodenseeland, herangetreten. DafĂĽr hat dieser dann als Kooperationspartner den Verlag Robert Gessler in Friedrichshafen gefunden. FĂĽr die Region des Dreiländersees sind internationale Kooperationen grundsätzlich sinnvoll, aber in dem Fall sind nicht nur unterschiedliche nationale Kulturen, sondern auch Firmenphilosophien aufeinandergetroffen. Nach jahrelangen Planungen (Konzeption, Finanzierung etc.) wurde das Projekt schlieĂźlich aufgegeben – eine Weiterentwicklung davon zu einem Handbuch mit 66 Themen kam dann einige Jahre später (2007) in der Form des „Bodensee ABC“ beim Jan Thorbecke Verlag heraus. FĂĽnf Jahre vorher ist schon beim Verlag Huber mein kleines Buch „Die Berge rufen“ (2002) mit den Geschichten ĂĽber Bergnamen erschienen. Bei diesem hatte ich eine groĂźe stilistische Freiheit, die ich auch ausgenutzt habe, bis an die Grenze zur Satire, was mir die schöne RĂĽckmeldung einer Kollegin gebracht hatte: „Damit hast du deinen Stil gefunden!“ (Der Verlag Huber wurde 2008 von Orell FĂĽssli ĂĽbernommen.)

Zehn Jahre danach, im Sommer 2012, ist im TĂĽbinger Silberburg Verlag, den ich auf der Buchmesse kennengelernt hatte, mein Buch „GipfelglĂĽck“ ĂĽber die wichtigsten Berge Baden-WĂĽrttembergs erschienen. Zu dem Buch ĂĽber Wasser-Orte in Baden-WĂĽrttemberg ist es dann nicht mehr gekommen, bevor er 2017 durch einen MĂĽnchener Verlag ĂĽbernommen wurde. Das Prinzip der „wichtigen Berge“ konnte ich dann fĂĽnf Jahre später beim Midas Verlag (auch eine Buchmessen-Bekanntschaft) auf die Schweiz ĂĽbertragen, nachdem es sich aus einem Projekt ĂĽber Schweiz-Rekorde entwickelt hatte.

Bei dem Bodensee-Buch fĂĽr den Theiss Verlag hat mir die Lektorin groĂźe Freiheit gelassen, die Orte auszuwählen und jeweils auf den Ort bezogen unterschiedlich zu beschreiben. Es ist auch mein erstes Bodensee-Projekt, das fast vollständig mit meinen Fotos illustriert ist, mit Motiven, die in anderen Bodensee-FĂĽhrern nicht unbedingt vorkommen. (s.u.)  

Neben diesen Verlagen gab es noch eine ganze Reihe weiterer: von C.H. Beck, Bruckmann und Callwey bis zu Ravensburger und Steiger – das wäre jeweils eine kleine Geschichte fĂĽr sich. Und die Verlage, fĂĽr die ich heute arbeite (Midas u.a.), wären auch ein anderes Thema. 

Ein weiterer Bezug zwischen den beiden Verlagen ist familiär: Den Kontakt zum Verlag Herder für das Praktikum hatte noch meine Mutter vermittelt – die „101 Orte“ waren das letzte Buch, bei dem mein Vater die Entstehung noch mitverfolgen konnte, er war immer gespannt auf jeden neuen Text.

Nachtrag, 29. März 2024: Meine Verlage-Geschichte hat natürlich auch eine Vorgeschichte:
Im Oktober 1975 war ich zum ersten Mal auf der Buchmesse, damals noch am Montag, als einfacher Besucher. 1976 war die Buchmesse schon im September, ich war an den ersten beiden Tagen dort, um eher kleine Literaturverlage zu besuchen, am Sonntag auch bei der Mainzer Minipressen-Messe.
1977 hatte ich fĂĽr die Buchmesse schon eine Autorenbescheinigung der „Arbeitsgemeinschaft Alternativer Verlage“, um die Messe täglich besuchen zu können.
Ab 1982 habe ich noch Aufzeichnungen, welche Verlage ich besucht habe, in dem Jahr z.B.: Benteli, Eichborn, Karin Kramer, Langewiesche (in direkter Nachbarschaft unseres Hauses in Königstein!), Qumran – auch von diesen fünf ganz unterschiedlichen Verlagen existiert keiner mehr, zumindest nicht mehr in der damaligen Form oder am selben Ort.
Fortsetzung folgt, vielleicht …

Verlag Herder und Wissenschaftliche Buchgesellschaft

BĂĽcher von zwei Verlagen, die es schon so lange nicht mehr gibt, dass sie nicht mal in Wikipedia stehen.

Vier Generationen Polyglott, von 1994 bis 2006.

Das Bild, mit dem ich kurz vor Druck der „101 Bodensee-Orte“ noch die letzte Doppelseite fĂĽllen konnte. Es enthält fast alles, was in dem Buch steckt: Landschaft, Geschichte, Kultur, Architektur, Ruhe – und eine Frau, die in einem Buch liest …

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