Vom Montségur zum Monte Verità

Lesung in Überlingen am 25. November 2023, „Lange Nacht der Bücher“

Die südfranzösische Ziegenglöckchen, die ich schon bei einigen Lesungen benutzt habe, um das Publikum auf den Beginn hinzuweisen, hat dieses Mal den autobiografischen Einstieg eingeläutet: Ich habe es in frühen Studienzeiten, im Anschluss an ein Schuljahr als Sprachassistent (!) bei Montpellier, auf einer Wiese am Südwesthang des Montségur gefunden. Dieser „sichere Berg“ am Übergang vom Pyrenäenvorland zu den höheren Pyrenäen war im 13. Jahrhundert der letzte Zufluchtsort von 500 Katharern, die dann aber so lange belagert wurden, bis sie sich ergeben mussten. So hat auch dieser Berg eine größere Bedeutung als viele höhere Gipfel.

Die Lesung war angekündigt als eine Art Trilogie aus meinen drei Bergbüchern von 2002, 2012 und 2018. Ich habe aber vor allem aus dem ersten gelesen und dazu die Geschichten erzählt. Aus „Die Berge rufen. Alpen Sprachen Mythen“ waren es diese Berge-Texte: Zugspitze, Sex Rouge, Guggisberg, Val Müstair.

Bei der Vorbereitung so eines Auftritts werde ich gelegentlich gefragt, ob ich auch Bilder von den Bergen oder Orten zeige. Ich habe ja eine ganze Menge gute Fotos, aber das ist erstens ein zusätzlicher Aufwand, und zweitens können die Texte auch die Phantasie anregen und so Bilder erzeugen. Und die Form mancher Berge habe ich auch schon durch Gesten (oder pantomimisch) dargestellt. Bei den Texten in Überlingen war das Problem, dass ich einige fremdsprachige (französische, rätoromanische …) Bergnamen vorlesen konnte, die Leute aber sehen sollten, wie sie geschrieben werden, speziell beim „Scex Rouge“. Es war aber weder eine Tafel noch ein Flipchart verfügbar. Die pragmatische Lösung waren ein paar mit Filzstift beschriebene DIN A3-Blätter, die ich dann als „analoge Powerpoint-Präsentation“ deklarieren konnte – das ist auch gut angekommen!

Mit dem kurzfristig geschriebenen Vorwort zum „Gipfelglück“, dessen Titel erst kurz vor Drucklegung so festgelegt worden war, konnte ich in wenigen Punkten erklären, welche Bedeutung auch kleine Berge für mich haben: „Gipfelglück ist … auf dem Turm einer Burg auf dem (Haus-)Berg einer Stadt stehen und fast ein Jahrtausend Geschichte an sich vorbeiziehen zu sehen / … auf einem Berg im Süden des Landes zu stehen und über das Nebelmeer hinweg das ganze Alpenpanorama zu sehen“. Als Beispiele dafür hatte ich den Dreifaltigkeitsberg oberhalb von Spaichingen und den Winterberg bei Leutkirch, die beide eine mehrfache Bedeutung haben: Aussichtsberg, Hausberg, Kapellenberg – und beide liegen auf oder an der Europäischen Wasserscheide.

Aus dem Schweizer Berge-Buch war es in Überlingen naheliegend, noch den Text über den Monte Verità von Ascona zu lesen, weil es in den 1920er/30er Jahren auch hier auf dem „Hungerberg“ eine Künstlerkolonie gab – nur nicht so groß und berühmt wie die im Tessin.

Der letzte Text war der über den „Alpen-Zoo“, in dem ich – ausgehend von dem Zoo oberhalb von Innsbruck – eine Landkarten-Reise mache zu den verschiedensten Bergen, die nach Tieren benannt sind, vom Wildhauser Schafberg über die Ochsenspitze (Piz Buin!) bis zum Monte Leone.

Auf die Frage nach meinen Lieblingsbergen nenne ich z.B. Hörnli, Margelchopf und Gmeinenwishöchi – mein „Lieblingsgipfel“ wird aber nur bei solchen Veranstaltungen genannt. 😉    

Und wenn ich nach den Geschichten über die kleinen, aber bedeutenden Bergen gefragt werde, ob es auch von der messbaren Höhe große Berge gibt, die Höhepunkte in meinem Berg-Leben waren? Da gibt es schon einige, die deutlich höher sind als der Säntis, vom Assekrem über das Flüela Schwarzhorn bis zum Rocciamelone. Aber das wäre wieder eine andere Geschichte.

Meine drei Berge-Bücher, von 2002, 2012 und 2018

Die Ziegenglöckchen vom Montségur (1979)

Lesung in der Städtischen Galerie Überlingen, 25. November 2023

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