Der Engel kam wieder vorbei  

Wiedergelesen: Un ange passe (LichtSpuren, III/2012)

Jubiläen feiern bei mir nicht nur die Bücher, sondern auch einzelne Artikel, wenn sie ein besonderes Thema behandeln oder in einem speziellen Medium erschienen sind. Fast hätte ich es übersehen, dass ich vor zehn Jahren (und ein paar Monaten, aber das ist auch egal) einen Artikel über Engel geschrieben habe, der in LichtSpuren erschienen ist, einer kleinen „Engelzeitschrift“. Und wann würde ein Wiederlesen der Engel-Geschichte besser passen als jetzt, vor Weihnachten? 

Wer meinen Stil kennt, erwartet jetzt natürlich keinen Text über blondgelockte weihnachtliche Rauscheengel. Die Hälfte des Artikels erzählt die Geschichte der Redewendung „un ange passe“ (ein Engel geht vorbei), die im französischen Sprachraum weit verbreitet ist, im 19. Jahrhundert auch noch im deutschen, so im vor 190 Jahren erschienenen Roman „Maler Nolten“ von Eduard Mörike: „Ist’s nicht ein artig Sprichwort, wenn man bei der eingetretenen Pause eines lange gemütlich fortgesetzten Gespräches zu sagen pflegt: Es geht ein Engel durch die Stube!“ Dieser die Situation entspannende Sprechakt hat sogar eine längere Vorgeschichte, denn schon bei den antiken Griechen hieß es, Hermes sei hereingekommen. Über die Redewendung „Wenn Engel reisen, lacht der Himmel“ komme ich dann zu einem Gästehaus in der Kleinstadt Porrentruy im Schweizer Jura, das tatsächlich „Un ange passe“ heißt. Dieses war mir bei einer mehrtägigen Radtour im April 2012 einen Umweg wert. Wie bei anderen aus dem Rahmen fallenden Namen bin ich auch hier der Sache auf den Grund gegangen und habe die Gastgeberin nach den Engeln im Haus gefragt. Ihre charmante Antwort: „Sie sind doch die Engel!“

Diese Engel-Geschichte gefällt mir auch heute noch, aber nach zehn Jahren musste ich natürlich einen Faktencheck machen: Der Herausgeber der Zeitschrift lebt noch im Appenzellerland und bietet dort Kräuterwanderwochen an, aber die Zeitschrift gibt es nicht mehr. Das Gästehaus in Porrentruy gibt es noch unter diesem Namen, Fabienne Rossi ist weiterhin die Gastgeberin. Ça vaut le détour.

Vor vier Jahren habe ich wieder über einen Engel geschrieben: für die Seezunge 2019 die „Empfehlung“ über die Genossenschaftsbeiz Schwarzer Engel in St. Gallen – aber das wäre eine andere Geschichte. Hier wenigstens die Einleitung: „Gasthäuser zum Engel gibt es viele in der Schweiz, ein schwarzes Tier im Namen haben auch viele, aber einen „Schwarzen Engel“ gibt es nur in St. Gallen. Engel sind ja immer weiß, aber bei diesem ist alles etwas anders. Vor dem Besuch des Lokals empfiehlt sich der Besuch der Website, die so schwarz ist, wie man sich eher den Teufel vorstellt.“ www.schwarzerengel.ch

Chambres d’hôtes Un ange passe, www.unangepasse.ch

Das Schild, das schon vor dem Gästehaus da war
Der Schriftzug an der Fassade
Die Doppelseite in der Special interest-Zeitschrift
Engel über dem Weihnachtsmarkt in Trogen

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