Linguistisches Stadtwandern

Als studierter (und „diplomierter“) Sprach- und Sozialwissenschaftler bewege ich mich, wenn ich irgendwo unterwegs bin, schon lange zwischen Sprachen, Soziologie und Geographie. Und jetzt erfahre ich, dass es genau in diesem Grenzbereich eine neue Forschungsrichtung gibt: „Linguistic Landscape“ (Sprachlandschaft).
In Wikipedia ist es so erklärt: „… ist die Bezeichnung eines Forschungsgebiets, das sich mit der Sichtbarkeit und Wahrnehmbarkeit von schriftlicher Sprache im öffentlichen Raum beschäftigt. Mit Hilfe dieses Konzeptes kann untersucht werden, wie sich die Verwendung verschiedener Schriftsprachen in multilingualen Gesellschaften unterscheidet.“

Ebenso wie man Landschaften und Städte in einem übertragenen Sinn „lesen“ kann durch genaue Beobachtung der augenfälligen Besonderheiten, kann man auch das Lesen einer Stadt wörtlich nehmen: Was sagen die schriftlichen Zeichen über das Leben einer Stadt aus? Dazu kann man alles einbeziehen, was irgendwie öffentlich lesbar ist: Graffiti und Werbeplakate, Namen von Häusern und Institutionen, von Restaurants und Straßen etc. Besonders interessant ist der multikulturelle Aspekt: Wo gibt es Anzeichen von Zweisprachigkeit oder Einflüsse aus anderen Sprachen?

Natürlich bekommt man als Stadt-Leser nebenbei auch einiges zu hören, die akustischen Äußerungen machen schließlich die Sprache aus: Wie die Leute sich anreden oder auch (be)schimpfen, wie schnell oder laut sie sprechen, ob sie die Standardsprache verwenden oder lokale Mundarten, etc.

Wenn es das vor 25 Jahren schon gegeben hätte, wäre es sicher ein Teil meines Proseminars „Sprache und Geographie“ an der Universität Konstanz im Sommersemester 1998 geworden. Aber auch ohne diesen Ansatz hatte ich bei der Lehrveranstaltung ein viel breiteres Programm als die klassische Dialektgeographie. So war eine der Referataufgaben schon damals, auf den Wochenmarkt zu gehen, dort sollten sie schauen und hören, wie sich die regionalen Sprachenverhältnisse zeigen.

So ist das, was ich in fremden Städten schon immer gemacht habe, heute auch als wissenschaftliche Methode anerkannt: Stadt-Wandern mit offenen Augen – und die Beobachtungen mit dem linguistischen Hintergrund einordnen.
Bei Land- und Bergwanderungen funktioniert das übrigens genauso – die Landschaften sind nur nicht so dicht „beschriftet“!

Zur Illustration folgen ein paar Bilder aus neuerer Zeit, nur das erste ist schon älter.

„Das Leben ist ein Kreis(lauf)“ – am Brückenpfeiler in einem Verkehrskreisel in Konstanz

In der Gemeinde Kaiseraugst bei Basel, die auf einer der größten Römerstädte der Schweiz steht, wird eine große neue Wohnanlage als „Römerpark“ vermarktet.

Wenn der „Nordbahnhof“ (am Eingang zum Hauptbahnhof Radolfzell) zum „Heimathafen“ umbenannt wird, ist das ein weiteres Beispiel für die aktuelle Konjunktur des Themas „Heimat“.

In Salzburg heißt ein Käsegeschäft in einem kleinen Gewölbekeller natürlich „Käslöchl“.

„Das Leben ist ein Kreis(lauf)“ – am Brückenpfeiler in einem Verkehrskreisel in Konstanz
In Kaiseraugst, über einer der größten Römerstädte der Schweiz gebaut, wird eine große neue Wohnanlage als „Römerpark“ vermarktet.

Wenn der „Nordbahnhof“ (am Eingang zum Hauptbahnhof Radolfzell) zum „Heimathafen“ umbenannt wird, ist das ein weiteres Beispiel für die aktuelle Konjunktur des Themas „Heimat“.
In Salzburg heißt ein Käsegeschäft in einem kleinen Gewölbekeller natürlich „Käslöchl“.

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